Serie GEFLECHT, Grafit Zeichnungen auf Papier, Format 70x100 cm, Copyright Thomas Autering

 

DIE KRAFT DER LINIE

Text Arthur Bach, Zeitschrift “Junge Kunst”, Heft Nr. 74

DAS ZEICHNERISCHE WERK VON THOMAS AUTERING

"Die Zeichnung verzeiht nicht, wenn man etwas zu viel getan hat." So beschreibt Thomas Autering die Bedingungslosigkeit des zeichnerischen Mediums. Schnelligkeit und Konzentration kennzeichnen seine Arbeitsweise. Wie eine flüchtige Skizze beginnt er seine Zeichnungen, verdichtet sie durch schnelle Bewegungen zu tiefschwarzen Flächen, die sich gegen das Weiß des Papiers abheben. Die Linienführung ist spontan und unruhig. Viele Linien und Striche überlagern sich, nie entsteht eine homogene Fläche; immer bleibt das fiebrige Spiel der Bewegung, die den Moment des Zeichnens festzuhalten scheint. Ohne jedwede Korrekturmöglichkeit sind diese Zeichnungen Ergebnis eines einzigen kraftvollen Arbeitsganges. Sowohl abstrakte, geometrische als auch menschliche oder tierische Formen sind zu erkennen, ohne wirklich gegenständlich zu sein. Autering balanciert zwischen Abstraktion und Form oder wie er selbst formuliert: "Es reichen zwei Linien, um einen Stock zu zeigen. Der Betrachter denkt zu Ende."

 

DIE ZEICHNUNG IST AUTARK

Auterings Zeichnungen haftet das Fragmentarische, das Unvollendete an. Ein Reiz, dessen er sich wohl bewusst ist und weshalb er sich für das Medium der Zeichnung entschieden hat. "Ich benötige keine Farbe, keine Malerei, keine Skulptur. Die Zeichnung ist autark." Sie lässt ihm alle Möglichkeiten des Ausdrucks. Die reine Verwendung des Graphitstiftes bietet ihm hierfür einen großen Spielraum, den er variationsreich auszuschöpfen sucht. Das Ausloten von Eindimensionalität der Linie einerseits und das Erzeugen von Räumlichkeit durch die schwarze Graphitfläche andererseits sind ihm besonders wichtig: "Durch den Hell-Dunkel-Kontrast kann ich modellieren. Die Linie als solche hat keine Dimension, aber durch die Überlagerung der Linien erlangt die Zeichnung Räumlichkeit." Mit dem öligen, weichen Graphitstift werden Linienübereinander gelagert und schaffen in ihrer Dichte, mal mehr, mal weniger Volumen. Durch das schnelle Auftragen des Graphits entstehen Schraffuren, die das Schwarz lebendig erscheinen lassen. Durch den ständigen Wechsel der Linien, glänzt je nach Lichteinfall die Graphitoberfläche und gewinnt Tiefe und Plastizität." Das Schwarz meiner Zeichnungen ist keine reine Fläche; sie ist nicht homogen, sondern beinhaltet Unruhe in der Tiefe. Darin ist Leben enthalten", umschreibt Autering diese bewusst hervorgerufene Wirkung.

 

DYNAMISCHE KOMPOSITIONEN

Die Zeichnungen sind fein und doch durch die ölige Beschaffenheit des Graphits kraftvoll und satt, der sich glänzend vom stumpfen, flächigen Weiß des Papiers abhebt. Autering setzt diesen Kontrast in ein spannungsvolles Verhältnis innerhalb der Blattgröße. Damit das Schwarz wirken kann, wird ihm eine entsprechende Menge Weißraum entgegengestellt, in den es hineinragen kann. Auf zumeist großformatigen Blättern setzt Autering seine Liniengebilde in dynamische Kompositionen und bezieht den Rand oftmals mit ein, ohne dadurch zu begrenzen, sondern vielmehr die Zeichnung über den Bildrand hinaus zu imaginieren. Ohne Begrenzung und Konkretisierungsversuche. Mit dem Begriff Freiraum könnte vielleicht auch am ehesten Auterings zeichnerisches Werk charakterisiert werden, dass jede Einengung vermeiden will und stattdessen das Nötigste verdichtet. Weder Titel noch naheliegende Assoziationen sollen wach gerufen werden, sondern die Linie in ihrer Vielfalt zum reinen Ausdruck werden.